Straßen ohne Namen - wie sollen sie heißen?
- Erstellt am Donnerstag, 07. Februar 2019 10:57
- Geschrieben von red
Jever. Auf Anfrage der jeverschen Stadtverwaltung hat der Jeverländische Altertums- und Heimatverein kürzlich einen Vorschlag für die Benennung der letzten drei noch unbenannten Straßen im zukünftigen Neubaugebiet „An den Schöfelwiesen“ abgegeben. „Als Personen der jüngeren und jüngsten jeverschen bzw. jeverländischen Geschichte sollten Christian Heinrich Wolke, Hermann Friedrich Hollmann sowie Karl Steinhoff berücksichtigt werden“, sagt Dr. Matthias Bollmeyer als Vorsitzender des Vereins. Christian Heinrich Wolke (1741-1825) ist der bedeutendste Pädagoge aus Jever, während Hermann Friedrich Hollmann (1753-1825) der bedeutendste Pädagoge in Jever ist. Karl Steinhoff (1893-1996) schließlich ist die bedeutendste Persönlichkeit des demokratischen Neubeginns nach 1945 in der Stadt Jever und im Landkreis Friesland.
Wolke wirkte als pädagogischer Vordenker und Schulgründer um 1800 in Dessau und St. Petersburg. Inhaltlich beschäftigte er sich mit Fragestellungen wie Rechtschreibunterricht und Lesenlernen, aber er interessierte sich auch für die Schaffung einer bestmöglichen schulischen Lernumgebung, die er im so genannten Denklernzimmer verwirklicht sah. Auch die Rolle der Frau beschäftigte Wolke. Beispielsweise entwarf er die Bezeichnung „Lehrin“ für eine unterrichtende Frau, während er „Lehrerin“ als Ehefrau eines Lehrers verstand und diese Überlegungen auch auf andere vergleichbare Substantive übertrug. Sein wissenschaftlicher Nachlass befindet sich heute in der Bibliothek des Mariengymnasiums. Nachdem mehrere auswärtige Rektoren die aus Jahrhunderten überkommenen Strukturen der jeverschen Lateinschule nicht angemessen reformiert hatten und der Schule die dauerhafte Schließung drohte, setzte Hollmann sofort nach seinem Amtsantritt die notwendigen Reformen im Ideal Wilhelm von Humboldts um und richtete auch erstmals Klassen ein, die nicht auf altsprachliche und theologische Gelehrsamkeit ausgerichtet waren, sondern auf so genannte bürgerliche Bildung wie moderne Fremdsprachen, Naturwissenschaften, Technik, Gewerbe und Verwaltung. Er verfolgte somit nicht nur die neuhumanistische Schulreform, sondern ist auch der Begründer des bürgerlichen Realschulwesens in Jever. Sein fortwirkender Verdienst ist, die jeversche Lateinschule in ein modernes Gymnasium überführt zu haben, dessen Fortbestand deshalb bis in die Gegenwart gesichert werden konnte, während vergleichbare Schulen in großer Zahl aufgrund ihres veralteten Schulbetriebs geschlossen wurden. Als eine Konsequenz der Bildungsreformen Hollmanns in Jever wurde der Schule die herrschaftliche Bibliothek zum akademischen Nutzen zugewiesen. Sie bildet noch heute als historische Sammlung den wesentlichen Grundstock der Bibliothek des Mariengymnasiums. Steinhoff war zunächst Dorfschullehrer im Oldenburger Land und studierte später Rechtswissenschaften. 1925 wurde er zum Dr. jur. promoviert. Da Steinhoff politisch unbelastet aus der NS-Zeit und dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangen war, wurde er im Juni 1945 von den Engländern und Kanadiern als vorläufiger Landrat des Landkreises Friesland ernannt und am 20. Dezember 1945 als erster Oberkreisdirektor gewählt. 1957 wurde er in den Ruhestand versetzt und hatte zudem zahlreiche Ehrenämter in der Region inne. Er war zeitlebens auch volkskundlich, heimatgeschichtlich und pädagogisch publizistisch aktiv. Er hat eine Autobiographie und reiches Schrifttum hinterlassen. In Verbindung mit der in den städtischen Gremien bereits angedachten Straßenbenennung nach Johanne Kippenberg könnte sich durch die vorstehend genannten Personen der jeverschen Geschichte ein „Pädagogen-Karree“ einwickeln. „Auch die Schilder dieser Straßennamen sollten mit Erklärungsschildern versehen werden“, sagt Bollmeyer, der entsprechende Textmuster ebenfalls dem Vorschlag des Altertums- und Heimatvereins beigefügt hat.