Die Zinnkanne und das Schmuckset erinnern an die Flucht der Familie Insel vor den Nazis. (Foto: Sascha Stüber)
Oldenburg. Zu den wichtigen Aufgaben eines Museums gehören das Sammeln und Bewahren – doch manchmal auch das Zurückgeben: Drei besondere Sammlungsstücke im Bestand des Stadtmuseums Oldenburg stammen aus dem ehemaligen Besitz der jüdischen Oldenburger Eheleute Henny und Siegfried Insel. Die Gegenstände geben Einblick in die Geschichte der Familie Insel und in ihr leidvolles Schicksal in der Zeit des Nationalsozialismus: Alle vier Oldenburger Familienmitglieder, auch Tochter Grete und Sohn Hermann, verloren in NS-Vernichtungslagern ihr Leben. Die Provenienzforschung am Stadtmuseum Oldenburg hat die Geschichte hinter den Sammlungsstücken aufgearbeitet – und eine offizielle Rückgabe an die Nachkommen der Familie Insel beschlossen.
Heute, am Dienstag, 24. September, hat Oberbürgermeister Jürgen Krogmann bei einer bewegenden Zeremonie im Alten Rathaus die drei privaten Gegenstände offiziell in die Hände der Nachkommen übergeben. Dabei waren auch Vertreterinnen und Vertreter der Oldenburger Bürgerstiftung, die unter anderem mit den „Erinnerungszeichen“ und viel Engagement an die letzten Wohnorte der in der NS-Zeit verfolgten ehemaligen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in unserer Stadt gegen das Vergessen kämpft. Im Nachgang zu dem Empfang wurde an der Wand des ehemaligen Wohnhauses der Familie Insel in der Roggemannstraße 25 eine Tafel mit vier Erinnerungszeichen angebracht. Bei der kleinen Erinnerungsfeier trat auch der A-cappella-Chor des Herbartgymnasiums auf.
Langwierige und aufwühlende Spurensuche
Die Spurensuche nach den Nachkommen der Familie Insel war kein leichtes Unterfangen. Nach viel Recherche und langer Suche konnte das Stadtmuseum Oldenburg schließlich lebende Nachkommen von drei Geschwistern Siegfrieds finden, die in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Israel leben: einen Enkel seines Bruders Emil, die Witwe eines Enkels seiner Schwester Sophie und mehrere Urenkelinnen und Urenkel seines Bruders Gustav. Auf die unerwartete Kontaktaufnahme und das Angebot der Rückgabe der Erinnerungsstücke reagierten sie unterschiedlich: mit Erstaunen, mit Schweigen, mit Trauer und Schock angesichts des unermesslichen Unrechts, das Henny, Siegfried, Grete und Hermann hatten erleiden müssen – aber auch mit Dankbarkeit für die Aufarbeitung ihrer bewegenden Geschichte und mit Freude über die späte Erinnerung an sie.
Die Objekte werden nun die Reise nach Israel antreten, wo der israelische Großneffe von Siegfried Insel sie vorübergehend bewahren will. Künftig jedoch, so haben die Nachkommen miteinander entschieden, sollen die Zinnkanne und der Hochzeitsschmuck zurück nach Oldenburg kommen, damit sie hier vor Ort im dann neueröffneten Stadtmuseum in der Dauerausstellung zur Stadtgeschichte weiterhin an das Schicksal der Oldenburger Familie Insel erinnern – und damit zugleich auch an das Schicksal so vieler anderer jüdischer Familien unter der menschenverachtenden Gewaltherrschaft der Nazis.
Über die besonderen Sammlungsstücke
Bei den Objekten handelt es sich um eine Zinnkanne, die eine Widmungsinschrift zum Hochzeitsfest trägt, und um ein Schmuckset für die Silberhochzeit, bestehend aus einem kunstvoll gefertigten Diadem und einer Anstecknadel aus versilbertem Metall. 1997 kamen diese Gegenstände als Schenkung eines Oldenburger Bürgers in die Obhut des Museums. Dessen Eltern hatten in den dreißiger Jahren freundschaftlichen Kontakt zu Henny und Siegfried Insel.
Zum Anlass ihres Wegzugs aus Oldenburg im September 1936 schenkte das Ehepaar Insel ihnen die Zinnkanne und auch den Hochzeitsschmuck. Kurz nach Ihrem Umzug schrieben die „Insulaner“ aus Hannover eine Postkarte an die Oldenburger Freunde, in der sie sich herzlich „für alle Mühe“ bedankten. Vermutlich hatten sie ihnen bei der Vorbereitung des Umzugs geholfen. Diese und eine weitere Postkarte hat das Stadtmuseum 2021 als Schenkung erhalten.
Über das traurige Schicksal der Familie
Das Ehepaar Insel zog 1903 aus der Wesermarsch in die nahe gelegene Stadt Oldenburg. Ab 1911 bewohnten Siegfried und Henny Insel gemeinsam mit ihren Kindern Grete und Hermann eine große Altbauwohnung im so genannten „Gelben Schloss“ in der vornehmen Roggemannstraße 25. Unter dem Druck der zunehmenden Diskriminierung und der wirtschaftlichen Bedrängnis aller Jüdinnen und Juden durch die antisemitischen Maßnahmen der Nationalsozialisten entschieden sich Henny und Siegfried Insel im Spätsommer 1936 zu einem Umzug nach Hannover mit ihrer Tochter Grete. Von Hannover aus emigrierten sie im Februar 1939 auf der Flucht vor der deutschen Judenverfolgung nach Amsterdam – in der Hoffnung auf eine sichere Existenz außerhalb Nazi-Deutschlands. Sohn Hermann war bereits 1933 nach Amsterdam gezogen. Doch nach dem Einfall der deutschen Wehrmacht und der Kapitulation der Niederlande im Mai 1940 war die Familie Insel, wie alle anderen Jüdinnen und Juden, auch dort nicht mehr sicher.
Am 25. Mai 1943 wurden Henny und Siegfried Insel in Amsterdam von den deutschen Besatzern verhaftet und in das Durchgangslager Westerbork verbracht. Von dort wurden sie mit dem Zug in das NS-Vernichtungslager Sobibór in Polen deportiert, wo sie ermordet wurden. Ihre beiden erwachsenen Kinder waren bereits im Juli 1942 über Westerbork nach Auschwitz-Birkenau verschleppt worden und hatten dort das gleiche Todesschicksal erlitten.
Mehr über die Provenienzforschung
Die Provenienzforschung am Stadtmuseum wird großzügig gefördert durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste.
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