Die Teilnehmer des Grünen Stammtisch mit Organisatorin Almuth Thomßen (ganz links), diskutierten über die zunhemenden Angriffe auf Lokalpolitiker. (Foto: Reiner Tammen)

Jever. Der Stammtisch der Grünen in Jever widmete sich kürzlich einem sehr ernstem Thema, das heutzutage immer mehr Beachtung nötig hat. Organisatorin Almuth Thomßen lud die Abteilung Prävention des Staatsschutzes der Polizeiinspektion Wilhelmshaven/Friesland ein, um mit ihr im Gespräch Informationen darüber zu bekommen, wie man sich als Lokalpolitiker bei Veranstaltungen verhält, wenn man beispielsweise von Passanten angegriffen wird. Auch wollten die Grünen in Jever und Umzu wissen, wie es in der Region Wilhelmshaven, Friesland und Wittmund aktuell aussieht, wenn es um Angriffe auf Politikerinnen geht.

Um noch weitere Menschen zu erreichen und zu informieren, hatte der Grüne Kreistagsabgeordnete Reiner Tammen die „Nordsee Omas gegen Rechts“ dazu eingeladen. So war der Festsalon des Parkhotels Jever bis auf den letzten Platz gefüllt.

Zunächst erläuterte Holger Machac von der Polizei, wie es zu der festen Abteilung „Prävention“ im Staatsschutz kam. Ursprünglich wurde dieses Thema von anderen Abteilungen mit bearbeitet werden. Irgendwann aber gab es so viele Fälle, dass die Politik entschieden hat, eine eigene Abteilung zu installieren, die von Tim Federspiel geleitet wird. Aufgrund seiner kurzfristigen Erkrankung hat Holger Machac ebenso kurzfristig übernommen.

Schnell wurde klar, dass die Übergriffe z.B. an Wahlständen massiv zugenommen haben. So konnte Holger Machac berichten, dass er sich nicht daran erinnern kann, vor zehn Jahren mal an einen Wahlstand gerufen wurde. Heute werden die Wahlstände in unregelmäßigen Abständen präventiv von der Polizei besucht, um zu sehen, ob es Probleme gibt, aber auch um Präsenz zu zeigen: „Wir müssen heute eine massive Verrohung in der Gesellschaft feststellen. Ich bitte Sie deshalb, wirklich jeden Vorfall sofort zu melden.“ 

Auf die Häufigkeit von Übergriffen angesprochen sagte Machac, meistens seien es Wahlstände der Grüne, aber beinahe genau so häufig würden AfD-Stände angegriffen. 

Dabei macht Holger Machac klar, dass jeder Fall auch verfolgt würde: „Es geht der Polizei nicht darum, Fälle aufzunehmen und zu verwalten, wir wollen schon aufklären.“ Es gäbe nur allerdings manchmal Schwierigkeiten, wenn Personen, die beispielsweise andere beleidigt hätten, nicht zweifelsfrei identifiziert werden könnten. Deshalb bat er alle Anwesenden, Bild- und Ton- beziehungsweise Filmaufnahmen zu machen, wenn dies gefahrlos möglich sei.

Auch um Beleidigungen per Mail oder über die sozialen Netzwerk ging es an dem Abend unter der Moderation von Heiko Klein. Selbstverständlich würden auch diese Fälle verfolgt, stellte Holger Machac fest, aber auch hier gebe es Grenzen: „Bestimmte Fälle sind einfach nicht nachzuverfolgen, weil sie über verschlüsselte Proton VPN-Server gesendet werden, die zudem nach dem Senden die Absenderdaten löschen.“ 

Auch die „Omas gegen Rechts“ haben an einem konkreten Beispiel aufgezeigt, wie sie schnell an Grenzen gestoßen sind, als sie versuchten, ihre Rechte wahrzunehmen. Sie waren auf einer Veranstaltung der AfD in Werdum, um gegen diese Veranstaltung zu protestieren. Dabei hat dann ein Mitglied der AfD versucht, sie einzuschüchtern. Er wollte sein Auto umparken, dabei fuhr er mit unangemessener Geschwindigkeit auf die Gruppe zu. Einige der „Omas“ konnten sich nur durch einen Sprung zur Seite retten. Der Vorfall wurde zur Anzeige gebracht, aber da keine Fotos oder Videos von der Tat vorlagen, wurde der Fall nicht weiter verfolgt.

Auch, dass in einer Gaststätte das Lied L’amour toujours mit einem fremdenfeindlichen Text gesungen wurde, konnte nicht weiter verfolgt werden, da es keine entsprechenden Aufzeichnungen gab. Die Zeugen hatten nicht den Mut, die Gruppe junger Männer anzusprechen und auch nicht, sie mit ihren Handys zu filmen. 

Wie es nicht anders sein konnte, kam aber auch der Personalmangel bei der Polizei beziehungsweise im Öffentlichen Dienst zur Sprache. Holger Machac: „Natürlich wird jeder angezeigte Fall bearbeitet und natürlich wird jeder bearbeitete Fall an die Staatsanwaltschaft gegeben, aber es geht nicht immer so schnell, wie wir uns das wünschen.“ 

Übereinstimmend äußerten die Anwesenden Gäste große Sympathie für die Arbeit der Polizei. Alle fühlten sich ernst genommen und gut aufgehoben, wenn es um die Sicherheit der handelnden Personen in der Politik ging. Holger Machac kommentierte das mit den Worten: „Sie haben es doch als ehrenamtliche handelnde Politiker wirklich nicht nötig, sich beleidigen oder bedrohen zu lassen. Das gilt für alle Parteien. Da machen wir als Polizei keinen Unterschied.“

Zum Abschluss wies Holger Machac noch einmal darauf hin, dass man bei jedem Fall, bei dem es zu einem Angriff oder einer Beleidigung kommt, abwägen muss, ob man sich wehrt und ob man Foto- oder Filmaufnahmen machen soll oder kann. Wichtig sei es, unversehrt aus solch einer Bedrohungssituation heraus zu kommen.

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