Bonn. Das Bundeskartellamt hat heute das geplante Übernahmevorhaben der Tönnies International Management GmbH untersagt, mehrere Unternehmen und Beteiligungen der Vion GmbH und Vion Beef B.V. zu erwerben. Insbesondere betroffen wären die Schlachthöfe in Buchloe, Crailsheim und Waldkraiburg. Die Behörde sieht durch den Zusammenschluss eine erhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs, insbesondere zum Nachteil von Landwirtinnen und Landwirten sowie verbleibenden kleineren Wettbewerbern.
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, begründet die Entscheidung: „Die Übernahme der Vion-Standorte hätte die Marktposition von Tönnies zum Nachteil der Landwirtinnen und Landwirte und der verbleibenden kleineren Wettbewerber in den betroffenen Regionen bedenklich verstärkt.“ Tönnies hätte demnach nicht nur seine bereits dominierende Position in der Schweineschlachtung und -verarbeitung in Deutschland ausgebaut, sondern auch im Bereich Rinder eine Führungsposition erlangt. Dies hätte die Ausweichmöglichkeiten der Erzeuger und Abnehmer verringert und somit die Marktstellung sowie die Handlungsspielräume der Tönnies-Gruppe erheblich erweitert. Auch bundesweit wären Nachteile für Abnehmer von Schlachtprodukten entstanden.
Hintergrund der Unternehmen und des Vorhabens
Die Tönnies-Gruppe mit Sitz in Rheda-Wiedenbrück ist ein Familienunternehmen, dessen Kerngeschäft in der Schlachtung und Zerlegung von Schweinen und Rindern liegt. Das Unternehmen ist zudem in der Verwertung von Schlachtnebenprodukten und der Herstellung von Fleischerzeugnissen tätig. Mit über 20.000 Mitarbeitenden erzielte Tönnies im Geschäftsjahr 2023 weltweite Umsätze von rund 7,8 Milliarden Euro.
Die Veräußerin, die Vion Food-Gruppe aus Boxtel (Niederlande), ist ein international agierender Hersteller von Fleisch, Fleischerzeugnissen und pflanzlichen Alternativen mit Produktionsstandorten und Handelsgesellschaften in Europa. Vion setzte im Jahr 2023 rund 5,1 Milliarden Euro um. Im Juni 2024 hatte Vion angekündigt, sich weitgehend aus dem Deutschlandgeschäft zurückzuziehen und seine Standorte zu verkaufen. Das Bundeskartellamt und die Europäische Kommission haben seit Anfang 2024 bereits mehrere Fusionsvorhaben bezüglich ehemaliger Vion-Standorte geprüft und freigegeben.
Auswirkungen auf den Markt
Das untersagte Übernahmevorhaben hätte Auswirkungen auf verschiedene Wettbewerbsbereiche innerhalb der Schlachtung und des Absatzes von Schlachtfleisch. Dies umfasst die Erfassung von Rindern und Schweinen zur Schlachtung, die Schlachtung selbst, die Zerlegung sowie den Absatz der daraus resultierenden Schlachtprodukte. Dabei wurden regional relevante Märkte für die Erfassung und Schlachtung mit Radien von 200 bis 300 Kilometern Fahrdistanz zugrunde gelegt, während die Weiterverarbeitung und der Absatz von Fleischerzeugnissen als mindestens bundesweite Märkte betrachtet werden.
Begründung der Untersagung
Umfangreiche Ermittlungen bei Wettbewerbern und Kunden sowie die Auswertung von Erfassungsdaten der Schlachthöfe führten das Bundeskartellamt zu dem Schluss, dass der Zusammenschluss auf mehreren regionalen Schlachtmärkten in Süd- und Ostdeutschland zur Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung von Tönnies führen würde.
Vion war bisher Marktführer in der Rinderschlachtung in Süddeutschland mit spezialisierten Betrieben in Waldkraiburg und Buchloe. Der Standort Crailsheim ist ein Kombibetrieb für Rinder und Schweine. Tönnies betreibt bereits Schlachthöfe in angrenzenden Gebieten (Altenburg und Kempten für Rinder; Weißenfels für Schweine). Nach der Übernahme hätte Tönnies in den Einzugsgebieten der Vion-Schlachthöfe Marktanteile von deutlich über 40 Prozent erreicht und sich damit weit von den verbleibenden, kleineren Wettbewerbern abgesetzt.
Auch auf dem regionalen Schlachtmarkt für Schweine im Einzugsgebiet des Tönnies-Standortes Weißenfels hätte die Fusion die bereits bestehende marktbeherrschende Stellung von Tönnies weiter verstärkt, da sich das Erfassungsgebiet des Crailsheimer Standorts mit diesem Markt überschneidet.
Zusätzlich zu diesen regionalen Auswirkungen hätte Tönnies auch seine Marktführerschaft in Deutschland auf den Absatzmärkten für die Vermarktung von Schweinen und Schweine-Schlachtfleisch ausgebaut und wäre auf dem Absatzmarkt für Rinder zum Marktführer aufgestiegen.
Weitere Faktoren für die Entscheidung
Das Bundeskartellamt berücksichtigte weitere Faktoren, die zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung beigetragen hätten: Hohe Marktzutrittsschranken für neue Wettbewerber, Größenvorteile beim Zugang zu Erfassungs- und Absatzmärkten, Verbindungen und Verflechtungen von Tönnies mit anderen Unternehmen, die vertikale Integration und die Finanzkraft der Tönnies-Gruppe sowie die begrenzten Ausweichmöglichkeiten der Landwirte als Erzeuger. Diese Faktoren wirken sich besonders in einem Markt aus, in dem das Angebot an Schlachttieren stärker zurückgeht als die Nachfrage nach Fleisch.
Gescheiterte Zusagen
Die wettbewerblichen Bedenken wurden den Beteiligten im März 2025 mitgeteilt. Daraufhin unterbreiteten Tönnies und Vion Ende April Vorschläge für Zusagen, die die Veräußerung und Verpachtung von Standorten an von Tönnies bestimmte Erwerber vorsahen. Aus Sicht des Bundeskartellamtes waren diese Zusagen jedoch nicht geeignet, die Entstehung oder Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung abzuwenden. Dies lag sowohl an der konkreten Ausgestaltung der Zusagen als auch an der fehlenden Unabhängigkeit der geplanten Erwerber von der Tönnies-Gruppe.
Der Beschluss des Bundeskartellamtes ist noch nicht bestandskräftig. Gegen ihn kann Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingereicht werden.