Teilnehmer/-innen des Sondierungsgesprächs auf Norderney: Hintere Reihe (v.l.): Anne Heuermann (Tourismus-Agentur Nordsee GmbH), Holger Heymann (Vorsitzender des Tourismusverbandes Niedersachsen und Landrat Landkreis Wittmund), Mark Alexander Krack (Geschäftsführer DEHOGA Niedersachsen), Wilhelm Loth (Geschäftsführer Ostfriesische Inseln GmbH und Geschäftsführer Staatsbad Norderney GmbH), vordere Reihe (v.l.): Petra Rosenbach (Geschäftsführerin Tourismusgesellschaft Osnabrücker Land und stellvertretende Vorsitzende des Tourismusverbandes Niedersachsen), Kerstin van der Toorn (IHK für Ostfriesland und Papenburg), Carola Havekost (Oldenburgische IHK), Corina Habben (Geschäftsführerin Ostfriesische Inseln GmbH und Leitung Marketingkommunikation Aktien-Gesellschaft „EMS“), Mario Schiefelbein (Geschäftsführer Tourismus-Agentur Nordsee GmbH). Digital nahm Carola Schmidt (Geschäftsführerin Harzer Tourismusverband) teil. (Foto: Uwe Schneider)

Wittmund/Norderney. Der Tourismus in Niedersachsen, einst von der Landesregierung zur Leitökonomie erklärt, sieht sich massiv unter Druck. Die anfängliche Euphorie in der Branche ist einer tiefen Ernüchterung gewichen. Dies wurde auf einem Sondierungsgespräch auf Norderney deutlich, bei dem sich führende Vertreter touristischer Destinationen wie der Nordseeküste, den Ostfriesischen Inseln, dem Harz und dem Osnabrücker Land, zusammen mit dem DEHOGA, regionalen IHKs und dem Tourismusverband Niedersachsen, austauschten. Ihre unmissverständliche Botschaft an die Landesregierung: Den Bekenntnissen zum Tourismus müssen jetzt endlich Taten folgen!


Niedersachsen braucht eine verlässliche Tourismusstrategie

Trotz klarer Ankündigungen im Koalitionsvertrag, dem Tourismus Priorität einzuräumen, empfindet die Branche das Gegenteil. Insbesondere die Vielfalt der touristischen Akteure erfordert eine koordinierende Unterstützung des Landes als verbindendes Element. Eine professionelle, strategische und zukunftsorientierte Entwicklung, wie sie eine Leitökonomie voraussetzt, erfordert eine Steuerung mit klaren Zuständigkeiten auf Landesebene, die alle Interessen bündelt und finanziell mitträgt.

Zentral ist die Forderung nach einer vernetzten Tourismusstrategie, die den Wirtschaftszweig nicht isoliert betrachtet. Vielmehr muss Tourismus als Querschnittsaufgabe verstanden und mit Bereichen wie Raumordnung, Klimaschutz, Mobilität, Digitalisierung und Fachkräftesicherung verknüpft werden. Die Akteure fordern dafür eine sichtbare Wertschätzung und einen Dialog auf Augenhöhe.

Die Branche erwartet ein konsistentes, strukturell verankertes und nachhaltig finanziertes Bekenntnis der Landesregierung. Denn der Tourismus ist standortgebunden und hat sich auch in schwierigen Zeiten als wirtschaftlich widerstandsfähig erwiesen – eine verlässliche Größe im niedersächsischen Bruttosozialprodukt.


Herausforderungen: Eine Schlüsselbranche unter Druck

Trotz ihrer Relevanz steht die niedersächsische Tourismusbranche vor massiven Problemen:

  • Prekäre Finanzlage der Kommunen: Vielerorts fehlen die Mittel, um touristische Infrastruktur zu erhalten und zukunftsfähig weiterzuentwickeln. Investitionen in Qualität, Barrierefreiheit oder Digitalisierung bleiben daher oft aus.
  • Demografischer Wandel und Fachkräftemangel: Der Dienstleistungssektor leidet unter strukturellem Personalmangel, was zu einer sinkenden Angebotsqualität und einem „stillen Rückzug aus der Fläche“ führt.
  • Umsetzungsdefizit und Bürokratie: Die Fachleute diagnostizieren ein latentes Umsetzungsdefizit in Politik und Verwaltung. Statt Bürokratieabbau erleben Unternehmen einen systemischen Bürokratieaufbau durch zu lange Verfahren, fehlende Zuständigkeiten und mangelnde Ressourcen. Dies hindert zunehmend unternehmerisches Handeln und gerät außer Kontrolle. Auch effizientere Kommunikationsstrukturen sind ein dringender Wunsch.

Gemeinsames Handeln ist jetzt gefragt

Die Teilnehmer des Sondierungsgesprächs sind sich einig: Ohne einen klaren Kurs bleibt Niedersachsen ein touristischer Flickenteppich. Andere Bundesländer agieren längst strategisch und unterstützen ihren Tourismus mit entsprechenden finanziellen Mitteln.

„Die Runde der niedersächsischen Touristiker will Verantwortung übernehmen“, konstatiert Landrat Holger Heymann (Landkreis Wittmund), Vorsitzender des Tourismusverbandes Niedersachsen. Er warnt davor, sich von „schönen bunten Bildern“ und erfolgreichen Statistiken von den tatsächlichen Schwierigkeiten ablenken zu lassen. „Der Tourismus ist kein Nebenschauplatz – er ist Standortfaktor, Lebensader und Zukunftsthema für ganz Niedersachsen.“

Die Branche hat Ideen, Investitionsbereitschaft und Innovationskraft. Doch ohne einen strategischen politischen Rahmen läuft Niedersachsen Gefahr, den Anschluss an einen zukunftsfähigen Tourismus zu verlieren. Die Botschaft ist klar: Wenn der Tourismus in Niedersachsen einer echten Leitökonomie gerecht werden soll, ist jetzt eine gemeinsam abgestimmte Kurskorrektur unerlässlich.