Nicholas Tischler wechselt von Chemnitz nach Oldenburg zu den Baskets. Im Interview erzählt er von seiner Leidenschaft zum Sport. (Foto: pr)

Oldenburg. Nicholas Tischler wechselte zur Saison 2025/2026 zu den EWE Baskets Oldenburg. Davor war er für die NINERS Chemnitz aktiv – erstmals in seiner Karriere ohne seinen Zwillingsbruder Brandon. Im großen Interview spricht er über eine besondere Phase an der Seite von Holger Geschwindner, seine Ambitionen in Oldenburg und seinen Traum, mit dem Bruder für die Nationalmannschaft zu spielen.

Nicholas, bevor wir uns deiner Basketball-Gegenwart widmen, werfen wir einen gemeinsamen Blick in die Vergangenheit. Was mir dabei zuerst in den Sinn kommt: Du hast gemeinsam mit deinem Zwillingsbruder Brandon in der Coronazeit ein spezielles Programm unter dem ehemaligen Nationalspieler und Nowitzki-Förderer Holger Geschwindner absolviert. 

Brandon und ich kennen Holger schon sehr lange, wir haben bereits als Kinder mit ihm trainiert. Er hat uns praktisch mit durch die Schulzeit begleitet und eine Art Mentorenrolle für uns übernommen. Er war immer da, auch in der U14 und U16. Als wir dann ein Jahr ProB gespielt und dort die Playoffs erreicht haben, hieß es: Corona, Shutdown, alles vorbei. Entsprechend haben wir uns die Frage gestellt: Wie geht es jetzt weiter? Als die neue Saison näher rückte, gab es ein paar Angebote, auch aus der BBL. Aber dort winkte uns dann ein Platz als elfter, zwölfter, 13. Mann. Also haben wir uns mit Holger zusammengesetzt und die Situation besprochen.

Aus diesen Gesprächen entstand eine besondere Form der Zusammenarbeit.

Es lag viel Ungewissheit in der Luft. Wo gehen wir hin? Kämpfen wir am Ende irgendwo um ein ganz paar Minuten? Der Worst Case wäre ja: Wir haben keine Spielzeit, und dann werden möglicherweise aufgrund der Corona-Regeln die Hallen ganz geschlossen und man kann überhaupt nichts mehr machen. Also entstand die Idee: Wir konzentrieren uns vollkommen auf individuelles, intensives Training, um an uns zu arbeiten.

Was vermutlich aber keine ganz einfache Entscheidung war.

Das alles wurde erst einmal in den Raum gestellt. Wir haben schon gedacht: Das ist ja doch komisch – und am Ende sind wir beide weg vom Fenster. Aber je länger ich darüber nachgedacht habe, desto sinnvoller erschien mir das. Denn wenn die nächste Saison abgebrochen worden oder die Trainingshallen geschlossen worden wären, hätten wir auch nichts davon gehabt. Daher haben wir uns darauf eingelassen. Am Anfang lief alles gut, dann wurden die Regeln verschärft und uns kam die Halle abhanden. Das hieß für uns: Training im Freien. Hauptsache, es ging weiter. Und so haben wir uns fitgehalten und auch dort Möglichkeiten gefunden, basketballerisch zu arbeiten. Holger fällt da immer was ein. (lacht)

Wie lange habt ihr das durchgezogen?

Zunächst einmal muss ich sagen: Das war eine der besten Entscheidungen in unserer Karriere, da wir auch in dieser schwierigen Zeit nicht stillstanden. Und dann kam in der Winterzeit ein Anruf von unserem alten Trainer. Wir dachten erst, er will uns zur Rückkehr überreden. Allerdings erklärte er mir, dass sich Dennis Schröder unsere Videos angeschaut hat. Die hatten damals zehn Klicks. (lacht) Und der wollte uns spielen sehen, und so sind wir dann nach Braunschweig gefahren. Wir haben uns da eine gute Woche präsentiert, und im Anschluss war klar: Nach dieser besonderen Phase mit Holger wird bei den Basketball Löwen der nächste Schritt gewagt.

Dort hast du drei Jahre mit deinem Bruder unter Vertrag gestanden. Wenn man auf deine Entwicklung schaut, stellt man fest, dass du dich kontinuierlich entwickelt hast. Mehr Minuten, mehr Punkte, mehr Verantwortung. Es ging im Grunde stetig aufwärts. Im Anschluss bist du nach Chemnitz gewechselt – und bei allem Respekt: Das Jahr wirkt im Rückblick, als sei die Aufwärtskurve ein wenig eingebrochen. Als Außenstehender hatte man aber ohnehin das Gefühl, dass bei den NINERS insgesamt nicht alles rund lief. Wie charakterisierst du das Jahr dort?

Um es zunächst einmal auf den Punkt zu bringen: Es war nicht ganz einfach. Man hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass es keine gute Saison war. Obwohl man im Rückblick ja sagen muss: Wir waren Vierter! Klar, vielleicht war die Erwartungshaltung in den Playoffs eine andere, als in der ersten Runde rauszufliegen. Aber die Platzierung an sich war ja nun wirklich nicht schlecht. Stattdessen herrschte das Gefühl: läuft nicht. Für mich persönlich bestand das Problem zudem darin, dass ich nie eine klare Rolle hatte. Das mag blöd klingen, aber es fühlte sich an, als wäre ich eine Art Lückenfüller, wenn mal einer müde wurde. Das soll kein Vorwurf sein. Ich kannte das aus Braunschweig anders, da gab es eine klare Rolle, dort war ich teilweise ein Führungsspieler mit deutlich definierten Aufgaben. In Chemnitz musste ich meine Lücke finden. Das war dann letztlich eine anstrengende Situation. Und hier in Oldenburg habe ich wieder das Gefühl, dass die Situation stimmt. Ich habe meine Rolle, man weiß, was man von mir sehen möchte – und was weniger. Solche klaren Strukturen bevorzuge ich.

Wie speziell war die Situation in Chemnitz auch durch den Umstand, dass du erstmals in deiner Karriere ohne deinen Zwillingsbruder unterwegs warst?

Im Grunde spielte das keine so riesige Rolle. Das betraf eher die Zeit abseits des Basketballs. Meine Freundin war immer nur am Wochenende da, und unter der Woche war ich dann viel auf mich allein gestellt. Das ist schon eine Umstellung, das war ich einfach anders gewohnt. Dank Brandon und meiner Freundin war sonst immer jemand um mich herum. Auf dem Parkett, mit den Teammates, da war alles gut, es gab da eine gute Verbindung. Sportlich hat es sich ein wenig wie in meinem ersten Jahr in Braunschweig angefühlt. Man muss sich neu beweisen, man muss sich erst das Vertrauen des Trainers erspielen. Ich tausche mich mit Brandon aber weiterhin aus, im Prinzip haben wir jeden Tag Kontakt.

In diesem Sommer folgte der Wechsel nach Oldenburg. Warum fiel die Wahl auf die EWE Baskets?

Oldenburg stand schon im Jahr davor im Raum. Es gab also ein grundsätzliches Interesse an mir, und die Verantwortlichen hatten eine Vision und haben an mich geglaubt. Hinzu kommt, dass ich gesehen habe, dass Len Schoormann und Norris Agbakoko eine große Rolle mit viel Einfluss innehatten. Da habe ich für mich selbst definiert, dass ich auch in eine solche Rolle schlüpfen kann und möchte. Es gab dann einige Gespräche, mit Predrag, mit Srdjan, und das klang alles überzeugend. So haben wir uns schnell angenähert, und ich glaube, dass ich mit meiner Identität gut zu der des Clubs passe.

Wie sind deine ersten Eindrücke von Oldenburg – sowohl vom Club als auch von der Stadt?

Zunächst einmal muss ich über die Stadt sagen, dass sie wirklich sehr schön ist. Chemnitz war auch eine gute Erfahrung, aber hier in Oldenburg kommt es mir noch ein bisschen lebendiger vor. Man merkt, dass es eine Studentenstadt ist, hier ist immer was los. Es gibt eine schöne Innenstadt. Ich muss mich nur noch ein bisschen an die Radfahrer gewöhnen, die …

… Sag jetzt nichts Falsches, ich bin auch einer von denen …

(lacht) … sind etwas schwierig. Und der Club? Ich wurde hier mit offenen Armen empfangen. Es fehlt mir an gar nichts. Die Halle ist immer offen, die Trainer sind immer da. Die sind glaube ich auch schon zwei Stunden vor Trainingsstart hier und noch lange nach dem Ende der Einheit. 

Wie sehr seid ihr jetzt nach den ersten Wochen gemeinsamer Arbeit bereits zu einem Team zusammengewachsen? Beim ersten Testspiel im Rickey Paulding Junior Center hatte ich das Gefühl, die Mannschaft ist lauter und emotionaler als manch andere im Pflichtspielbetrieb.

Wir haben eine Menge guter Jungs beisammen, die viel positive Energie verbreiten. Im Trainingslager in Zlatibor waren wir anderthalb Wochen zusammen, das hat uns als Team sehr gutgetan. Manchmal kommt man dabei auch an seine Grenzen. (lacht) Aber wir haben dadurch wirklich einen großen Schritt nach vorn gemacht. In den Testspielen waren zwischendurch einige ein wenig angeschlagen, daher wissen wir, wie wir das alles bewerten müssen. Jetzt gilt es, alles zusammenzubringen und bereit zu sein für den Start der Saison.

Das Team ist nahezu vollständig neu zusammengestellt. Überwiegen für dich die Vorteile eines konsequenten Neuanfangs oder die Sorgen vor einem dadurch notwendigen längeren Prozess des Zusammenfindens?

Die letzte Saison verlief aus Oldenburger Sicht ja nicht so optimal. Daher ist ein Neuanfang aus meiner Sicht gut. Das macht es uns als Spielern vielleicht sogar leichter. Wir werden nicht mit dem verglichen, was vorher passiert ist. So können wir uns darauf konzentrieren, was wir sein wollen: einfach ein Team, das erfolgreichen Basketball spielen will. Das alles wird ein Prozess, bei dem ein jeder von Anfang an voll dabei ist. Es gibt keine Hintergedanken darüber, was letzte Saison passiert ist. Wir sind eine Art unbeschriebenes Blatt und wollen alle Stück für Stück besser werden.

In Bremen steht für euch am 24. September das erste Pflichtspiel im Pokal an. Was würdest du momentan als die Elemente identifizieren, an denen ihr am intensivsten arbeiten müsst?

Wahrscheinlich ist es das Thema Kommunikation auf dem Feld. Körperlich steht außer Frage, dass wir zu den Besten zählen werden. Es geht um Abstimmung, sowohl defensiv als auch offensiv. Alle müssen in dieselbe Richtung denken im Spiel, das ist eine Frage der Details. Abseits des Feldes funktioniert die Kommunikation schon sehr gut. Jetzt müssen wir unsere Qualitäten gemeinsam auf das Parkett bringen; an Talent mangelt es uns keinesfalls. Bei uns kann immer mal ein anderer herausstechen. Wichtig ist, dass alle an einem Strang ziehen und dieselben Ideen verfolgen. Wenn wir als Team zusammenstehen, werden wir erfolgreich sein.

Du warst im Sommer mit der deutschen A2-Nationalmannschaft unterwegs. Den Zahlen nach lief es für dich nicht so schlecht …

Das war eine tolle Sache. Vor allem deshalb, weil ich die meisten Mitspieler schon länger kenne und mit vielen bereits vor zwei Jahren in Toronto gespielt habe. Es waren zwei ehemalige Mitspieler aus Bamberg dabei, mein Bruder war auch mit an Bord, hat sich dann aber leider verletzt. Wir haben eine kleine Bamberger Reunion gefeiert. Ich habe die Freiheiten im Spiel genossen, mir tat dieser Sommer mit der A2 sehr gut. Ich habe meinen Spielrhythmus wiedergefunden. 

Euer Trainer dort war Alan Ibrahimagic, der bei der Basketball-Europameisterschaft für den erkrankten Alex Mumbru übernommen und einen unglaublichen Job geleistet hat. Wie charakterisierst du ihn?

Wenn man sieht, wie er sich beispielsweise im Fernsehen präsentiert, dann spiegelt ihn das sehr gut wider. Er ist vollkommen uneigennützig, macht sich nicht wichtiger, als er ist. Er stellt sich nie in den Mittelpunkt, es geht ihm immer ausschließlich um die Mannschaft. Er kann Situationen unheimlich gut einschätzen. Alan ist einfach ein toller Kerl; der wirkt vielleicht manchmal zuerst ein bisschen schüchtern, aber man kann sich unglaublich gut mit ihm unterhalten. 

Die Entwicklung des deutschen Basketballs ist im Grunde unglaublich. Du warst in der Qualifikation zur Europameisterschaft in der A-Nationalmannschaft dabei. Wie sehr reizt dich die Perspektive, dort auch in Zukunft wieder mitwirken zu dürfen? 

Das ist auf jeden Fall ein Ziel! Die Konkurrenz ist groß. Wenn man sich den Kader bei der EM anschaut, dann sieht man ausschließlich NBA- und Euroleague-Spieler. Das heißt, dass man auch ungefähr weiß, auf welches Level man kommen muss. Hinzu kommt, dass ich das Ziel Nationalmannschaft natürlich gern zusammen mit meinem Bruder erreichen möchte. Es gibt ja tolle Beispiele mit den Wagners oder den da Silvas. Diesen Brüderpaaren würden wir uns sehr gern anschließen. (lacht) Zweimal war ich in den Quali-Fenstern dabei. Einmal hatte ich Corona und musste wieder abreisen, beim zweiten Mal habe ich gespielt. Das reizt einen schon, und selbstverständlich denkt man dann darüber nach, dass man mit der Mannschaft auf der größeren Bühne spielen möchte. 

Definierst du vor einer Saison persönliche Ziele?

In der Vergangenheit habe ich das getan, inzwischen sehe ich das nicht mehr als notwendig an. Klar, es gibt das grundsätzliche Ziel, den nächsten Schritt nach vorn zu machen. Aber alles andere bringt einen nicht weiter. Wenn ich in ein Spiel gehe und mir etwas ganz Konkretes vornehme, dann ist das für mich kein Vorteil. Meine besten Spiele habe ich absolviert, wenn ich einfach voll konzentriert reingegangen und bei der Sache geblieben bin. So muss ich jede Partie angehen. 

Die Saison hat noch nicht begonnen, aber hast du schon ein Gespür dafür, was in dieser Saison für euch möglich sein kann?

Ich finde schon, dass die direkte Playoffqualifikation das Ziel sein sollte. Aber wir haben natürlich noch ein riesiges Entwicklungspotenzial, einige Testspiele waren wenig aussagekräftig. Wir wollen jetzt erst einmal die Grundidee des Coaches umsetzen. Da ist noch einiges zu tun, manches sieht naturgemäß noch wirr aus. Den Pokalwettbewerb haben wir natürlich auch im Blick, dort ist der Weg zum Titel ja vergleichsweise kurz. (lacht)

Predrag selbst hat mir mal erzählt, dass er schon alles erlebt hat: einen Fehlstart nach perfekter Vorbereitung und einen richtig guten Start nach mieser Preseason.

Das gab es in Braunschweig auch. Nach diversen Testspielsiegen waren wir alle glücklich, dann setzte es zum Saisonstart eine Niederlage nach der anderen. Daher: Man muss das alles schon einzuordnen wissen.

Danke für das Gespräch!

Von red